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Der innere Schweinehund

Ich liebe das Biken. Und doch gibt es Momente, wo ich mein Bike am Liebsten in die Botanik schmeissen würde.

Ein wunderschöner Frühsommertag. Ich treffe mich mit Freunden für einen gemeinsam Biketag an unserem Hausberg. Schon am Abend zuvor bereite ich meine sieben Sachen vor und freue mich tierisch auf einen geilen Tag auf dem Bike. Wir treffen uns alle am vereinbarten Ort und fahren los, mit einem dicken Grinsen und der Morgensonne im Gesicht. Wie immer haben wir viel zu bereden und zu lachen, was die Strapazen beim Hochpedalieren meistens erheblich lindert. Kaum fängt die erste Steigung an, ziehen die lieben Mitfahrer gemütlich plaudernd weg und ich werde zum hechelnden Schlusslicht. „Kein Problem“ sag ich mir, „heute bin ich nicht so fit, das gibt es halt manchmal.“ Senke den Kopf und versuche in ein gleichmässiges Tempo zu verfallen.

Aber der Tag ist verhext: Meine Kette gibt nervende Geräusche von sich, meine Bremsen schleifen und meine Atmung wird immer schwerer, obwohl ich im leichtesten Gang fahre. Langsam sinkt meine Laune in den Keller. Meine Begleiter bemerken meinen Kampf und lassen sich zurückfallen, denn das macht man schliesslich so unter Freunden. Keiner ist im Stress und der gemeinsame Genuss steht im Vordergrund. Als ich sie langsam, aber schwer atmend etwas aufhole, sehe ich, dass sie keine Schweissperlen an der Stirn haben, nicht so schwer atmen wie ich, sondern gemütlich miteinander schwatzen, als würden sie gerade in einer Gartenbeiz sitzen. Meine Laune sinkt weiter und ich lass mich absichtlich noch mehr zurückfallen, weil ich ihnen die Stimmung nicht vermiesen will. Schöne Aussicht? Tolles Wetter? In diesem Moment ist mir das sowas von egal.
Innerhalb einer Stunde wurde aus einem coolen Biketag ein kleiner Albtraum. Nicht nur für mich, sondern auch meine Freunde, die sich mit meiner schlechten Laune abgeben müssen.

Dabei liebe ich diesen Sport. Warum also wechselte meine Stimmung von „Juhui, wir gehen Biken!“ zu „Verdammter Scheiss, verdammter! Biken ist scheisse!“?

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So stellen wir uns das doch immer vor? Perfekter Tag und alle sind happy. Well, you can’t always get what you want.

Der Grund ist mein innerer Schweinehund. Wie oft habe ich ihn den Berg hochgeprügelt? Wie viel Zeit habe ich damit verbracht, ihn stark und zielstrebig zu machen? Und nun fällt er mir in den Rücken…

Das Problem liegt weder an meinen Freunden, meinem Bike oder meinem aktuellen Fitnesslevel – der Grund für meine miese Laune bin ich. Ich und meine Vorstellung von mir selbst. „Letzten Monat fuhr ich diesen Anstieg im dritten Gang stehend“, „Normalerweise brauche ich für diesen Aufstieg 30 Minuten“ ..solche Aussagen resultieren aus einer Erwartungshaltung. Erwartungshaltungen sind nichts anderes, als ein hohes Mass an Anforderungen. Es ist eine positive Einstellung, mit der man höhere Ziele erreichen kann. Jedoch kann es auch negative Auswirkungen haben, wenn man sich zu sehr darauf fixiert. Vor Allem wenn es mal nicht so läuft, wie man gerne hätte. Dann ist das Glas nämlich halb leer und das führt zu einem unguten Gefühl, bis hin zur Enttäuschung. Genau wie in meinem Fall, wo ich mich mit meiner aktuellen Situation nicht abfinden konnte, weil ich mich wie ein Anfänger und untrainierter Sesselpupser fühlte.

innere schweinehund
Es will mal nicht so wie du gerne hättest? Kein Grund, gleich die Hände in die Luft zu werfen.. Relax. Calm down. Enjoy.

Aber warum ist denn das so schlimm? Kann ich jetzt diesen Tag nicht geniessen, nur weil er nicht meinen Anforderungen entspricht? Das wäre ja dumm.
Trotzdem zwingt mich mein innerer Schweinehund zu höheren Leistungen, weil er genau dafür da ist – deshalb wurde er ja so stark. Hohe Ziele und persönliche Weiterentwicklung in allen Ehren, aber wenn ich deswegen keine Lust mehr auf Biken habe, läuft was falsch. Sich da wieder zurückzunehmen und nach ein paar mal tief durchatmen wieder locker zu werden, fällt einem nicht leicht. In unserer leistungsorientierten Gesellschaft sind wir praktisch darauf getrimmt und es fällt uns schwer, diese Konditionierung loszulassen. Aber genau das ist die Lösung, wenn man an einem solchen Punkt ankommt. Bin ich so viel glücklicher, wenn ich nicht der Letzte in der Gruppe bin? Bin ich so viel glücklicher, wenn ich das gesetzte Ziel erreiche? Oder habe ich mehr davon, wenn ich es einfach geniesse, dass ich heute auf dem Bike sitzen kann, dass ich überhaupt ein Bike besitze und dass wir einen solch wunderschönen Tag geschenkt bekommen haben, um gemeinsam mit Freunden die Natur und das Erlebnis zu gniessen?

Oft sehe ich ein solches Verhalten an unseren Bikekursen, wenn gewisse Teilnehmer die Hände in die Luft werfen und sich selbst verfluchen, weil sie wissen, dass sie die Hürde ’normalerweise‘ meistern können, es aber momentan nicht geht – aus welchen Gründen auch immer. Der Grund liegt meistens darin, dass wir zu viel überlegen. Du kommst einen Trail runter, mit einem guten Tempo, mit viel Spass und voll im Flow. Du siehst die Hürde, fährst drüber hinweg und das Thema ist gegessen. Grinsen im Gesicht, Endorphine sprudeln: Die Welt ist in Ordnung.

Sich aber den Tag zu vermiesen, weil man heute kurz vor dem Hindernis ständig in die Eisen steigt und es auch nach mehrmaligen Anlauf nicht schafft, ist einfach nicht förderlich. Es geht um den Spass, den wir haben, nicht die Ziele die wir erreichen. Will es nicht klappen, dann bringt es auch nichts, wenn man mit der Brechstange dahinter geht – auch wenn man es danach unfallfrei übersteht, hat man ’nur‘ den Status Quo aufrecht erhalten und davon wurde noch keiner übermässig happy. Deshalb braucht es auch einen Punkt, wo man in sich geht, ein paar mal tief durchatmet und es gut sein lässt.

Am erwähnten schönen Frühlingstag, wo ich das Biken, meine Freunde und die ganze Welt drum herum verflucht habe, hatte es zum Glück noch funktioniert. Nach einer fünfminütigen Zwangspause und einem nicht ganz netten „Mann, jetzt nimm dich mal zusammen!“ zu mir selbst, konnte ich mich beruhigen und fuhr den Rest des Aufstiegs im Rentnertempo. Die anderen mussten zwar eine gute Viertelstunde oben auf mich warten, aber ich kam mit einem Grinsen oben an und musste nicht gleich kotzen. Der Tag war gerettet und ich konnte die Aussicht, die Gesellschaft und auch die Abfahrt geniessen. Gut, dass ich meinen inneren Schweinehund zum Schweigen bringen konnte.

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Bei äusseren Einflüssen lassen wir uns ja auch nicht so runterziehen.. warum sind wir also so hart zu uns selbst? – Reifenmassaker Finale Ligure 2014

Vielleicht denkst du das nächste Mal an meine Worte und lässt die fünf mal gerade sein. Ein verschenkter Tag kommt nicht zurück und du tust weder dir noch deinen Freunden einen gefallen, indem du deinen Schweinehund raushängen lässt. Nutze den Tag.

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