Es gibt immer Trends auf dem Bikemarkt – ob diese langfristiger Natur sind, ist stets abzuwarten. Mal gibt es mehr Federweg, später dann wieder weniger, es gibt neue Laufradgrössen und in jüngster Zeit – elektrische MTB. Elektrische MTB? Wie jetzt – ist das noch Mountainbiken oder schon Töff fahren? OK, wir standen der Thematik durchaus skeptisch gegenüber…
Dann kam die Ankündigung eines Flyer E-MTB Testevents des lokalen Bikeshops velociped , das zufällig an einem Mittwoch um 18h statt fand – zeitgleich mit dem wöchentlichen Biketreff der freerideconnection.ch (Luzerner Bikeverein). Warum sollten wir nicht im Rahmen des Biketreffs auch mal E-MTB fahren gehen und wir (8 Vertreter der freerideconnection) fanden uns auf den Flyer E-MTB wieder…
Getestet wurden die neuen Flyer E-MTB – das Uproc3 (Allmountain, 120mmm Federweg) sowie das Uproc6 (Enduro, 160mm Federweg). Angetrieben werden die Bikes (neben der Muskelkraft) von Bosch Motoren. Die verbauten Antriebe sind keine speziellen Antriebe für MTB, sondern normale E-Veloantriebe. Die Unterstützung kann in 5 Stufen eingestellt werden : Aus, Eco, Tour, Sport, Turbo. Natürlich hat das Auswirkungen auf den Stromverbrauch und damit die Reichweite. Der BOSCH Antrieb sitzt zentral am Tretlager. Die Bikes verfügen über Horstlink Hinterbauten. Gewogen habe wir die Bikes nicht, doch sie erscheinen nicht ausserordentlich schwer.
Die Ausstattung der Testmodelle war einwandfrei: gute Bremsen von Shimano, gute Federung und Sattelstützen von RockShox, durchweg hochwertige Anbauteile – hätte ich selbst ein Bike aufgebaut, wäre es kaum anders ausgestattet gewesen. Hier hat Flyer also alles richtig gemacht.
Bergauf
Auch auf einem E-Bike muss man treten. Also pedalieren wir los, sofort fällt einem die erreichte Geschwindigkeit auf – mit mittlerer Eintellung „Tour“ bewegt man bei gleichem Kraftaufwand etwas doppelt so schnell bergauf wie mit dem gewöhnlichm MTB. „Turbo“ saugt am Akku und „Eco“ fühlt sich anstrengend an.
Wir sehen einen recht steilen Trail, den wir sonst nur bergab fahren. Warum nicht einfach dort hochfahren? Doch die Ernüchterung kommt schnell, während man auf flachen Trails bergauf sogar in den Flow kommt und die eine oder andere Kurve anbremst, hört der Spass auf wenn es steil wird. Hier fehlt dann schlichtweg Traktion. Mit einem E-MTB kann man also nicht steiler hoch fahren, sondern nur schneller… Lektion gelernt.
Wir erreichen den höchsten Punkt unserer Tour nach einem Anstieg von knapp 1000 Höhenmeter etwa doppelt so schnell, wie sonst mit den normalen Bikes – die Akkus zeigen zwischen 2 und 3 von 5 Balken, wir sind meist im Modus „Tour“ gefahren- Die erste Skepsis hat sich aufgelöst – der „Saft“ reicht also.
Bergab
Wir legen unsere Schoner an und fahren einen Trail. Gewöhnen müssen wir uns bergab zunächst an das höhere Gewicht – doch wir haben uns rasch an das Bike gewöhnt. Das Gewicht liegt zentral und der Schwerpunkt tief. Während das Gewicht in langsamen und technischen Downhills noch mühsam erscheint, steigt die Agilität mit steigendem Tempo. Durch das Gewicht scheint das Bike förmlich bergab zu schieben. Auch mit deaktiviertem Antrieb. Hier lernen wir schnell – die Unterstützung sollte man bergab nur stark dosiert einsetzen, sonst wird aus einer Korrektur der Kurbelposition schnell ein Katapult. Vorsicht also!
Wir fliegen mit dem Flyer über den Trail, passieren verschiedenste Passagen. Die Geometrie der Bikes ist stimmig, wir fühlen uns sofort wohl und grinsen. Der Hinterbau federt, doch leider erscheint die Kinematik des Hinterbaus unausgewogen. Bremst man, ist eine deutliche Verhärtung der Federung spürbar auf Kosten der Traktion. Wir fühlen uns wie auf einem Bike vergangener Tage, der Flyer Hinterbau erscheint uns nicht zeitgemäss. Besonders für das Uproc6 mit moderner Endurogeometrie hätten wir mehr erwartet. Sicherlich eine Herausforderung für die Konstrukteure war der grosse Motorblock um das Tretlager – dort wo sich bei vielen normalen MTB ein Drehpunkt befindet, ist bei den Uproc Modellen noch der Motor…
„Du hast platt? Cool! ich fahre das grad schnell noch mal!“
Völlig neue Perspektiven eröffneten sich uns auf dem Trail: während man bei einem Platten (wir hatten einige) sonst eher gelangweilt wartet, wurde bei unserer Testtour die letzte Sektion einfach spontan nochmal gefahren. Coole Sache.
Fazit
Es ist Mountainbiken! Und: die Flyer E-MTB machen Spass – ja, wir hatten viel Spass. Das Flyer Uproc3 und Uproc6 sind gute MTB mit guer Antriebstechnik. Die jungen Modelle bieten noch Verbesserungspotenzial vor allem im Bereich des Hinterbaus. Uns zeigten die Flyer E-MTB auf, was die Zukunft bringen wird. Unsere Erkenntnis: E-MTB sind ernst zu nehmen und nicht nur was für Faule. Wir waren nach unserer Tour genauso geschafft wie sonst, nur sind wir etwa doppelt so weit gefahren. Auf längeren Touren in höheren Lagen der Alpen werden uns die E-MTB wohl eher nicht begegnen, dazu sind die Akkus zu schwach und wer trägt schon gerne ein doch so schweres Bike über eine steinige Tragepassage? E-MTB werden eher die schnelle Feierabendrunde verdoppeln. Ob man diese Bikegattung nun gut findet oder nicht, muss letztlich jeder für sich entscheiden.
Wir bedanken uns bei Marius Graber vom velociped für die Organisation des genialen Testevents, wir testen gerne wieder