Du hast Dich bereits mit den Grundlagen der Fotografie auseinandergesetzt und Begriffe wie ISO, Blende und Verschlusszeiten sind Dir bekannt? Dir ist zu diesem Zeitpunkt vielleicht klar geworden, dass das noch immer nicht genügt für das perfekte Foto. Der Grund liegt darin, dass die Kamera nur ein Werkzeug darstellt – was daraus entsteht, ist ein Resultat Deines Könnens und Deiner Kreativität.
Früher neigte ich dazu, die technischen Aspekte der Fotografie in den Vordergrund zu stellen. Zuerst kaufte ich mir eine teure Kamera und erhoffte mir gute Fotos. Danach erlernte ich die technischen Feinheiten der Kamera und erhoffte mir gute Fotos. Das machen scheinbar viele Anfänger. In Wirklichkeit ist es aber wie bei der Musik: Ein hochwertiges Instrument und dessen Beherrschung machen noch keine Kunst – Kreativität ist der zündende Funke.
Deshalb gibt’s heute ein paar Anregungen, um über den Tellerrand zu schauen und Dir ein paar Ideen zu geben, was Du in Zukunft zusätzlich beachten könntest.
Bildwirkung
Ein Bikefoto sollte keine Dokumentation sein. Eine Szene aus der gewöhnlichen Sicht des Menschen zu portraitieren kommt beim Betrachter nicht sonderlich gut an, weil er das in den meisten Fällen bereits kennt. Nichts spricht gegen ein Erinnerungsfoto, aber auch das will inhaltlich ansprechend sein.
Fotos sind dazu da, dem Betrachter zu gefallen. Du solltest Dich also in den Betrachter hinein versetzen: Du konsumierst ebenfalls Bilder und musst Dich dabei nur darauf achten, was Dir selbst gefällt – was Dich fasziniert und mitreisst. Studiere die unterschiedlichen Bildwirkungen und deren technischen Hintergründe. Beim Anschauen eines Fotos geschieht vieles unterbewusst, der Fotograf muss diese unterschwelligen Kriterien aber auch bewusst wahrnehmen können. Das Wort ‚Sehtraining‘ beschreibt es am treffendsten.
Die Sicht des Betrachters einzunehmen ist deshalb so wichtig, weil der Betrachter nicht die Sicht des Fotografen einnehmen kann. Ihm sind die Denkweisen und Techniken der Fotografie fremd, welche sein Gefühl durch die Bildwirkung bestimmen. (Lektüre: Bildgestaltung von Andreas Hurni)
Die Herausforderung liegt im ständigen Wechsel zwischen den technischen und künstlerischen Betrachtungsweisen eines Fotos. Die unvoreingenommene Begeisterung für ein Foto verschwindet, wenn man es bis ins kleinste Detail seziert hat. Die Bildwirkung lässt nach.
Praxistipp: Fremde Fotos kritisch zu betrachten ist die einfachste Art, um in der Fotografie weiterzukommen.
Inhalt
Heute sind die Präferenzen der Masse in Bezug auf Sportfotos weitestgehend bekannt. Viele Studien wurden über das Thema abgefasst und das Resultat lässt sich in zwei Worte zusammenfassen: Emotion und Aktion. (Videotipp: Scott Kelby – Tips for shooting Sports)
Lerne von anderen Sportarten: Welche Fotos siehst Du in Zeitungen und Magazinen? Einen euphorischen Torschützen gleich nach seinem Siegestreffer. Schreiende Fans auf der Tribüne. Zu Tode betrübte Fussballer kurz nach dem Schlusspfiff. Diese Aufnahmen machen ungefähr die Hälfte der besten Sport-Fotos aus. Die Leute wollen Emotionen sehen: Lachende, weinende, enttäuschte Gesichter die eine Story erzählen.
Der Bereich Action ist natürlich nicht zu unterschätzen, aber es gilt: Weniger ist mehr. Man sieht sich nicht gerne viele ähnliche Bilder an – dem Betrachter wird schnell langweilig und das wertet ein einzelnes gutes Foto sogar noch ab. Drei bis vier ausgesuchte Fotos erzielen eine intensivere Wirkung und machen Lust auf mehr. Wichtig ist die Abwechslung.
Praxistipp: Du bist mit Freunden unterwegs? Dann mach nicht nur Fotos von ihnen auf dem Bike, sondern auch vor und gleich nach dem Biken. Meistens sind die Emotionen direkt nach einem Ride so gross, dass die Fahrer ein breites Grinsen im Gesicht haben – halte das ebenfalls fest.
Du bist an Events? Dann vergiss nicht die Menge zu fotografieren. Einzelne interessante Zuschauer oder eine Meute von kreischenden Fans sind immer wieder lohnende Modelle. Auch nach den emotionalen Momenten des Events suchen: Ist die Zieldurchfahrt wichtiger oder der Augenblick, wenn der Gewinner die Siegesfaust in die Höhe streckt?
Komposition
Kreativität und die Freude an Experimenten sind hier gefragt. Je mehr Du ausprobierst, desto mehr wirst Du lernen. Versuche das Besondere zu erfassen und in den Mittelpunkt zu rücken. Die technischen Möglichkeiten Deiner Ausrüstung sind nur ein Mittel dafür.
Nah und Fern
Ein 50mm Objektiv an einer Vollformat Kamera entspricht etwa einem 46° Blickwinkel und somit dem menschlichen Auge. Versuche solche Aufnahmen zu vermeiden, da sie lediglich wiedergeben, was wir selber millionenfach kennen. Geh nah heran und versuche Momente einzufangen, welche man von blossem Auge nicht sieht.
Eine Nahaufnahme von einem angestrengten Gesicht, eingefroren mitten in der Fahrt, ist interessanter, als ein mässiger Jump vom Streckenrand abgelichtet. Dann doch lieber einen ansehnlichen Sprung mit Weitwinkel fotografieren, damit man die Dimensionen sieht. Wichtig ist es, etwas Sehenswertes zu vermitteln.
Hell und Dunkel
Eine Kamera macht mit Standardeinstellungen ein Bild mit einem durchschnittlichen Farbwert von 18% Grau, habe ich mal gelesen. Das schreit förmlich nach Langeweile! Versuche bei Deinen Fotos das Besondere festzuhalten und vergiss den Rest. Als Anfänger versuchte ich krampfhaft alles richtig zu machen: Nicht zu dunkel, nicht zu hell, immer schön alle Einstellungen beachten und wehe es war mal etwas nicht ganz scharf. Alles nur technische Aspekte, die den Endbetrachter weniger interessieren – dem ungeschulten Auge fällt es nicht einmal auf.
Wenn es der Bildwirkung dient, darf man sich getrost über sämtliche Regeln hinweg setzen.
Risikobereitschaft ist gefragt: Experimentiere herum und versuch auch mal ganz neue Ansätze. Ein überbelichtetes Waldstück mit einem verschwommenen Geisterfahrer. Warum nicht? Ein dunkles Waldstück, wo nur ein paar wenige Sonnenstrahlen auf den Biker scheinen? Hauptsache nichts Gewöhnliches.
Solange Du ohne ein Ziel abdrückst, wirst Du nichts anderes erhalten, als eine Momentaufnahme aus Deiner Sicht – solange Du nicht das Aussergewöhnliche suchst, wirst Du es auch nicht fotografieren.
Oben und Unten, Hinten und Vorne..
Fotografiere das, was man sonst nicht sieht. Nicht aus der Sicht des normalen Zuschauers am Streckenrand, sondern etwas Besonderes: Aus der Vogel- oder Froschperspektive, extrem rein gezoomt oder so weitwinklig wie möglich. Leg Dich auf den Boden oder steig auf einen Baum, wenn es nötig ist.
Hilfreiche Techniken
Der Sportfotografie sind technische Grenzen gesetzt: Die verspielten HDRs der Landschafts- und Architektur-Fotografie kann man bei der Actionfotografie nur bedingt umsetzen. Das Geschehen ist oft zu schnell und der technischen Ausstattung sind Grenzen gesetzt. Auch die aussergewöhnlichen Effekte von Makros kann man in dieser Sparte schlecht nutzen. Sehr häufig findet man jedoch Parallelen zur Portraitfotografie und davon solltest Du profitieren. Eines der höchsten Gebote dabei: Das Objekt vom Hintergrund abheben.
Nachfolgend einige Techniken, wie Du dies erreichen kannst:
Mitzieher
Mitzieher sind eine besondere Technik, welche vor allem im Rennsport viel Anwendung finden. Indem man dem Fahrer mit einer längeren Belichtungszeit folgt, kann man ihn scharf abbilden und den Hintergrund verwischen, was zusätzlich das Tempo gut vermittelt. Beim Biken bedeutet dies: Von der Seite knippsen und mit einer Belichtungszeit von ungefähr 1/50 Sekunde arbeiten (je nach Tempo). Die etwas längere Belichtungszeit hat den Vorteil, dass man mehr Licht einfangen kann, falls die Bedingungen mal ganz schlecht sind. Das Ergebnis wird erst mit viel Übung gut – der Ausschuss ist riesig.
Wenig Tiefenschärfe
Wenig Tiefenschärfe ist das beste Mittel, um ein Objekt vom Hintergrund abzuheben. Durch eine grosse Blende, wird nur ein kleiner Bereich des Bildes scharf – Vordergrund und Hintergrund rahmen das Objekt mit sanften Konturen ein, was für das menschliche Auge als angenehm empfunden wird.
Beim Sport sollte das Objektiv also eine Blende von f2.8 bis mindestens f4 erreichen können, damit eine angenehme Unschärfe erreicht wird. Ein weiterer Vorteil dabei ist, dass viel Licht auf den Sensor trifft und man deshalb mit niedrigen ISO-Werten und kurzen Belichtungszeiten arbeiten kann, was gleichbedeutend mit wenig Bildrauschen und Bewegungsunschärfe ist.
Bildgestaltung
Es gibt viele sogenannte Regeln für die Bildgestaltung und es ist von Vorteil, dass man sich damit beschäftigt. Nicht aus jenem Grund, dass man alles so machen muss, wie es als scheinbar optimal angesehen wird. Es geht vielmehr darum, dass man die Möglichkeiten kennt und sich bewusst für oder gegen eine Gestaltungstechnik entscheidet. Auf der Suche nach mehr Kreativität ist es allemal hilfreich. (Geometrie von Andreas Hurni)
Praxistipp: Halte die Kamera nicht nur im Hoch- oder Querformat. Das mag in anderen Bereichen der Fotografie wichtig sein, aber wenn man Dynamik und Bewegung vermitteln will, kann eine schief gestellte Aufnahme sehr hilfreich sein. Noch einfacher: Versuche bei Bildern mit mangelnder Bildwirkung nachträglich mal an der Ausrichtung zu schrauben, manchmal wirkt das Wunder.
Praxistipps
Kamera kennen: Du musst Deine Kamera praktisch im Schlaf benutzen können. Die Bewegungen müssen automatisiert sein, damit Du Dich wohl fühlst. Da hilft nur sehr viel Übung und Know-How. Unser Ein-mal-Eins hilft Dir über die ersten Hürden.
Experimentieren: Es ist ein Fluch und man kommt manchmal mit nur einer Handvoll guter Fotos nach Hause – aber der Lernfaktor ist riesig. Immer wenn Dir die Ideen ausgehen oder die Bedingungen ungünstig sind, solltest Du etwas riskieren.
Ganz nah ran: Dem Betrachter gefällt es besonders gut, wenn er das Gefühl bekommt, ganz nah am Geschehen zu sein.
Auf den Boden: Geh in die Knie oder leg dich komplett auf den Boden. Somit kannst Du mehr vom Trail ins Bild nehmen, die Tiefenschärfe kommt oft deutlicher zur Geltung, der Fahrer sieht grösser und dadurch aktiver aus. Viele Vorteile mit nur einer kleinen Bewegung. Grundsätzlich gilt: Suche einen ungewöhnlichen Blickwinkel.
Tiefe schaffen: Nimm etwas Unscharfes in den Vordergrund des Bildes, das den Fahrer oder die Szene umrahmt – dadurch schaffst Du räumliche Tiefe und das Bild gestaltet sich automatisch interessanter. Beim Biken bieten sich da Pflanzen und Bäume gut an.
Objekt hervorheben: Beim Biken ist man oft im Wald und die vielen Bäume, Blätter und Äste sind manchmal ein schlechter Hintergrund für ein gutes Foto. Deshalb ist es wichtig, den Hintergrund mit Bedacht auszuwählen und bewusst zu manipulieren – mit einer offenen Blende oder einem Mitzieher beispielsweise. Eine weitere gute Möglichkeit ist es, aus grosser Entfernung mit einem Tele zu fotografieren, da dann weniger vom Hintergrund zu sehen ist.
Schau über den Tellerrand: In anderen Bereichen der Fotografie kannst Du wichtige gestalterische Techniken lernen, welche auch bei der Sportfotografie nützlich sind.
Nützliche Quellen:
Behind the Lens – Pinkbike Fotografen zeigen ihre Arbeiten
Sportknipser – Einführung in die Sportfotografie
Bike Fotografie: Fokus und Schärfe
Ich hoffe meine Anregungen konnten Dich inspirieren.