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Wo der Trail endet… in Marokko

Urs Mani, unser Freund von FreerideTours.ch, war im November 2013 auf einer Marokko Expedition und berichtet euch von der 27 stündigen Anreise, dem Land, den Leuten, dem Biken und vielen Erlebnissen.

Meine Freundin Daniela und ich machen uns auf zu einem Drivemarathon von Luzern nach Algeciras in Spanien, 2200 Km ununterbrochene Autofahrt in 27 Stunden – das Ziel: Ferien machen und neues Terrain mit dem Bike befahren.
Bei der zweistündigen Überfahrt auf der Strasse von Gibraltar, kommt bereits der erste Maroc Flair auf. Nachdem wir am Zoll von Büro A und Büro D wieder ins Büro A und anschliessend noch ins Büro C und schliesslich erneut ins Büro D müssen, wissen wir: Wir sind nicht mehr im durchorganisierten Europa.

sidi ifni wüste dromedar
Wilde Dromedare in der Wüste von Sidi Ifni

Nach der ersten Übernachtung im fremden Land haben wir bereits erste Kontakte geknüpft – das geht hier schnell. Nach der Weiterfahrt über Rabat, Casablanca und Agadir landen wir an unserem Ausgangsort Sidi Ifni – ein cooler Spot zum Biken und Surfen. Bei unseren 2 Übernachtungen, hatten wir leider nicht die Gelegenheit die Trails auszutesten. Das hügelige Hinterland von Sidi Ifni wäre äusserst geeignet zum Biken, bei so heftigem Morgendunst bis 2 Uhr Mittags (20-30m Sicht) und der eintreffenden Dunkelheit um 18 Uhr, ist das Biken in unbekanntem Gelände jeoch nicht sehr erfolgsversprechend. Scheinbar zieht dieser morgendliche Dunst in dieser Jahreszeit täglich bis zu 30Km ins Landesinnere, also ziehen wir weiter…

Nach der Verabschiedung von unserem marokkanischen Freund, der uns genial in die Sitten und Bräuche des Landes eingewiesen hat, machen wir uns auf in die menschenleereren Regionen.

Erste Übernachtung im Outback, wilde Dromedare, echte Nomaden und bettelnde Kinder. Die Schönheit der Natur liegt in einem krassen Kontrast zur Armut des Landes.

Sidi Ifni
Sidi Ifni

Ankunft in einem „Ksar“, einer alten Siedlung und sogenannter Speicherburg der Berber, welches von einem Luxus und Offroad liebenden Franzosen in ein Hotel und Camping umgebaut wurde. Erste geile Spots zum Biken in einem ausgetrockneten Flussbett entdeckt (Oued Draa).

ksar
Ein altes Ksar dient uns als Unterkunft

Endlich aufs Bike! Kann es kaum erwarten, denn das Terrain sieht aus wie aus einem Bikemärchen. Der Anstieg ist aufgrund der losen Steine und viel Staub kaum tretend zu bewältigen – Tragen ist angesagt. Der Aufstieg vom Flussbett Draa auf die umgebenden Plateaus die der ausgetrocknete Fluss eingeschnitten hat, ist äusserst eindrücklich. Man kann sich an den frei wählbaren Linien und Landschaftsformen nicht satt sehen.

Hart erkämpfter Aufstieg
Hart erkämpfter Aufstieg
Siegesgefühle auf dem Gipfel
Siegesgefühle auf dem Gipfel

Das erste ernüchternde Fazit meiner Freeride-Tour: Eine Geröllhalde in den Alpen wäre einfacher zu befahren, da der Untergrund hier aus uralten runden Bachkieseln besteht, welche sich kaum verkeilen und somit dem Reifen wenig Halt bieten. Beim zweiten Run wähle ich die Aufstiegsroute als Abfahrt und habe enormen Spass. Das ist jedoch nicht die Freiheit, die ich hier suche.

Adrenalin und spielerische Trails auf der Abfahrt
Bei der ersten Abfahrt sorgt der Untergrund für Adrenalin
Die Bodenbeschaffenheit lädt förmlich zum Spielen ein
Wenn man sich an die Trampelpfade hält, läuft es wie geschmiert
Ich und mein einsames Bike in der menschenleeren Einöde
Ich und mein einsames Bike in der menschenleeren Einöde

Bei der Rückkehr zum Ksar, haut mich der Küchenchef an: Das sei ja das extremste Biken, dass er je gesehen habe! Und erzählt mir, dass er sehr viel Zeit auf dem Bike verbracht hat, sich aber nun zu alt fühle. Als ich ihn nach seinem Alter frage, antwortet er mit:  „28 Jahre“. Als ich mein Alter mit 35 angebe, will er es mir kaum glauben, da in diesem „hohen“ Alter kein Marokkaner noch so extremes Zeug machen würde…

bike sahara marokko
Ein schräges Gefühl, in dieser Einöde sein Bike auszupacken

Auf der Weiterfahrt nach Süden, passieren wir El Oatia und Tarfaya, wo wir Wasser, Diesel und Lebensmittel auffüllen. Danach treffen wir immer vermehrt auf Polizeisperren – die Leute sind jedoch immer sehr freundlich und hilfsbereit. Man fühlt sich sicher.

Marokko Bike Freeride
Endlich Biken!

Jetzt geht es los. Wir fahren noch weiter Südlich Richtung Laayoune. Auf halber Strecke in Dawra biegen wir nach Osten ab und versuchen das erste mal nach Kompass Auto zu fahren.

Achtung Dromedare
Achtung Dromedar, Achtung Freeridetours.ch

Nach einigen Erkenntnissen (Der Kompass zeigt einem leider die Hindernisse nicht an), erreichen wir dennoch zügig die gesuchte Strasse von Laayoune nach Hagunia. Auf dieser Landstrasse fährt man elend lange geradeaus – bei Tempo 100 überraschte uns dann die erste kleine Düne (ca 30cm hoch), welche quer über der Strasse lag. Uff – Das hätte ins Auge gehen können! Daniela ist gefahren und hat zum Glück sensationell reagiert (Lenkrad fest halten, Augen zu und auf dem Gas bleiben).

Von nun an kommen wir kaum mehr voran – die geteerte Strasse wird alle 500m durch grosse Dünen versperrt, welche man weiträumig umfahren muss. Endstation Strasse. Ab jetzt geht es wieder nach der Kompassnadel Richtung Osten mit dem Ziel Smara.

Irgendwo im Nirgendwo - 27°24'6.66", -12°14'31.56
Irgendwo im Nirgendwo – 27°24’6.66″, -12°14’31.56
    Jetzt sind wir richtig weit in der Pampa
Jetzt sind wir richtig weit in der Pampa
Sahara wüste bike
Ich seh etwas, was Du nicht siehst

Als wir an unserem Lagerplatz ankommen, ist es leider schon später Abend. Ich kann mich kaum sattsehen an den den Lines im Gelände, also schiesse ich vor dem eindunkeln ein paar Bilder, welche ich bis spät in die Nacht immer wieder betrachte und vom nächsten Tag träume.
Kaum geht die Sonne auf, mache ich mich nach einem Kaffe zum Biken ready.

Es fühlt sich komisch an – ein Auto, zwei Personen und ein Bike in dieser Einsamkeit fernab jeglicher Zivilisation – da wo die einheimischen nur durchreisen, wenn sie müssen – und wir Spassgesellschaftsmenschen herkommen, um Extremsport zu betreiben. Ganz abgesehen vom Risiko, sich hier zu verletzen.

Kaum bin ich im Sattel, verflüchtigen sich diese Gedanken schnell. Die erste Abfahrt ist auch die genialste des Tages. Da dies nur eine  Aufwärm- und Kennenlernrunde ist, habe ich leider keinen Fotoapparat am Start. Auf den weiteren Lines ist das Licht bereits so stark, dass es kaum brauchbare Bilder gibt. Ich hatte jedoch viel Spass. Eine Abfahrt in einem staubigen Hang mit supergeilen Turns zum Staubfahnen produzieren, eine andere durchzogen von Felsbändern von einem Meter Höhe und wieder eine andere Line mit Single Trail Charakter – entstanden vom Wildwechsel der Esel und Dromedare.

mtb freeride sahara marokko
Keine Wegweiser, keine befestigten Wege – da muss man schon mal schauen, wohin man eigentlich will
mtb freeride sahara marokko
Springen, fahren oder drum herum – So viele Möglichkeiten alle paar Meter

Nächster Stop Smara: Durch Shopping, Flanieren und Kaffe Trinken die Zeit vergessen, also heisst es suchen nach einem Nachtlager im Dunkeln. Am nächsten Tag geht es quasi auf Zehenspitzen weiter nach Zag, denn die Warnungen vor Minen haben uns imponiert (Don’t leave the road!).

Auch hier hätte es viele potentielle Spots, aber nach den Minenwarnungen und vielen UN Fahrzeugen, habe ich ein mulmiges Gefühl, mein Bike ins Gelände zu befördern.

Don't leave the road - Alte Minen zu entdecken steht nicht auf dem Reiseplan
Don’t leave the road – Alte Minen zu entdecken steht nicht auf dem Reiseplan
Etwas Falknerlehre in der Wüste bei Zag
Etwas Falknerlehre in der Wüste bei Zag

Bei unserer Ankunft in Zag empfängt uns die Polizei mit offenen Armen und lädt uns zum Tee ein. Sie seien froh, dass wir es geschafft haben.

Wir fahren gleich nach Assa weiter, wo eine kleine Demo stattfindet – also schnell auftanken und fluchtartig Richtung Fam el Hisn. Dort treffen wir Mohamed, einen Einheimischen, welcher uns sofort zu sich nach Hause einlädt. Mohameds Vater hat in Genf gearbeitet und er gilt als der Reichste im Dorf – gerade nach dieser Aussage beeindruckt es uns, wie einfach diese Leute leben.

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Ein solcher Anblick ist für uns ungewohnt und daher unheimlich eindrücklich

Am ersten Tag in Icht besteigen wir den nächstbesten Berg. 400 Höhenmeter Aufstieg im verblockten Gelände lohnen sich für die Abfahrt leider nicht. Der Hotelbesitzer meinte anschliessend nur: „Descente de Mort!“

Den nächsten Tag nutze ich, um das jahrtausendalte Schwemmland dieser Oase zu erkunden. Das ist mitunter das geilste natürliche Gelände, welches ich je befahren habe. Ein 5 Quadratkilometer grosses Gelände ohne Vegetation, ausser ein paar Palmen.

Es fühlt sich an, wie eine Mischung aus Pumptrack und Jumppark. Ich hätte nie geglaubt, in einem solchem Gelände ohne Gefälle so viel Spass zu haben. Ich kurve und hüpfe rum, wie ein kleiner Junge in einem Vorgarten.

Es gibt unzählige natürliche Wellen, Gruben, Stufen, Wasserläufe, welche man durchfahren oder überspringen kann. Zum Teil steile, schulterbreite Couloirs mit 10-15 Metern Höhendifferenz ins ausgetrocknete Flussbett. Kein Big Biken, aber dennoch ein unvergesslicher Traum!

mtb freeride marokko
Endlich Spass!
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Auf diesen Lines kann man sich austoben – Spielplatz für Biker
mtb freeride sahara marokko
Jipppiiieeeeeh!!
mtb freeride sahara marokko
Sobald man sich an den Untergrund und das Gelände gewöhnt hat, macht es richtig Spass

Zurück in Assa ist die Demonstration zum Glück wieder vorbei und wir decken uns wieder mit Lebensmitteln ein und fahren gleich wieder raus in die Pampa mit dem Ziel, den Anti Atlas zu durchqueren. Geplante Zeit zur nächsten Zivilisation: 3 Tage.

bike sahara marokko
Mit dem Bike eine eigene Line suchen zu können, ist ein seltenes Privileg

Endlich können wir ein Bild machen mit unserem treuen Weggefährten, der uns mittlerweile fast 7500Km weit ohne jegliche Pannen transportiert hat und uns Schutz und ein Zuhause bietet. Auch dieser eher kleine Spot (Hügel ca. 30Hm) hat mir extrem viel Spass bereitet, in alle vier Himmelsrichtungen konnte man da runterheizen und etwas Neues entdecken.

Natural Jumppark
Unser treuer Weggefährte

Da das Wetter endlich umgeschlagen hat, fahren wir nochmal an die Küste. Endlich kann ich die zu Hause auf Karten entdeckten Berge erkunden, welche mit dem Auto zu erreichen sind. Endlich Höhenmeter! Leider keine Action Bilder, da das „Kamerateam“ nun als Shuttledienst agierte. Was ich da fand, war genau das, was ich von Marokko erwartet hatte.

Wilde Naturtrails im Angesicht des Atlantiks bis ans Meer runterfahren, jubelnde Kinder, die hinterher rennen – der unvergessliche Kontrast zwischen mir mit dem modernen Highend-Bike und den Leuten in den Eselskarren im wilden Markttreiben.

Das nächste Ziel heisst Foum Zugid, durchfahrt über einen ausgetrockneten See und Biken in den ausgedehnten Dünenfeldern, 30 Kilometer von der algerischen Grenze entfernt. Der See stellt einen enormen Kontrast dar, auf der einen Seite komplett verlassen und menschenleer, auf der anderen Seite tümmeln sich Offroad-Touristen mit Quads, Motorrädern und 4×4 und produzieren kilometerweit sichtbare Staubfahnen. Was für ein Zirkus.

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Sand soweit das Auge reicht. Solches Gelände habe ich mir sehnlichst gewünscht. Nun wollte ich ausprobieren, wie sich das anfühlt. Bike ausgepackt erste Düne erklommen und rein in den ersten Hang. Sofort Luftdruck auf 0.5 Bar abgesenkt. Die Auflage reicht nun, um nicht mehr so arg einzusinken. Die Optik der Reifen war dann krass, funktionierte aber. War ein geiles Erlebnis!

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Man lernte mit der Zeit, den Sand richtig zu lesen und nicht immer in die weichsten Felder zu fahren. Mit etwas Übung macht das sicherlich viel Spass oder mit einem Fat-Bike mit dicken Reifen. Fazit: Es müssen höhere Dünen her! Die höchsten hier waren ca. 30Hm und da man praktisch nur straightline fahren kann, ist das jeweils ein sehr kurzer Spass.

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Leider müssen wir langsam ans Heimreisen denken und begeben uns allmählich wieder in belebtere Gebiete. Von Mhamid via Zagora, Oarzazate, Marrakesch, Casablanca, Rabat nach Tanger zur Fähre. Von Algeciras nach Luzern schaffen wir es diesmal in 25h.

Kulturschock in Spanien. An den Tankstellen ist das Personal hinter Panzerglas eingesperrt  und Polizeisperren sind nicht mehr freundlich und die Waffen stecken nicht mehr im Halfter. Nein es sind MP`s auf dich gerichtet… Sicheres Europa? Da fühlten wir uns im tiefsten Marokko besser aufgehoben.

Ich war sicherlich nicht das letzte mal in dieser Region – die Natur und die Leute haben mich enorm beeindruckt und biketechnisch besteht noch viel Potential.

Website von FRT – FreeRideTours.ch

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