Entwicklung eines Bikers – Die Bedeutung des Hardtails

Im Gespräch mit anderen Biker kommen ja ständig alte und neue Bikethemen auf. Vor Kurzem stellten wir erneut fest, wie ähnlich der Werdegang eines jeden Bikers über mehrere Jahre ausfällt. Insbesondere die positiven Aspekte eines Hardtails auf die Fahrtechnik wurden immer wieder thematisiert. Deshalb habe ich mich entschieden dies mal für Anfänger zu erläutern.

Fahrradfahren kann jedes Kind und wenn man es einmal gelernt hat, so das Sprichwort, verlernt man es nie wieder. Dem kann ich grundsätzlich zustimmen, obwohl mir die Verallgemeinerung nicht gefällt und noch viele Details dazu fehlen. Ich möchte diesbezüglich vorallem auf den Teilsatz „Wenn man es mal gelernt hat..“ verweisen.

Bike-Anfänger brauchen Sicherheit

Jeder hat es erlebt: Das erste Mal. Man geht mit einem Kumpel, Freund oder Freundin mit, um am eigenen Leib zu erfahren, was für ein Gefühl das ist, von dem das Gegenüber nach jeder Biketour mit einem riesigen Lächeln im Gesicht und mit adrenalingeladenen Gesten erzählt. „Muss schon ein wahnsinnig geiles Erlebnis sein, mit dem Bike den Berg runter zu fahren“, denkt man sich – geht mit und ist verwundert über den ganzen Hype: Die Hände schmerzen, der Rücken schmerzt, das Fahren ist eine einzige Katastrophe und der Kumpel fährt Stellen runter, die man sich kaum zu laufen getraut. Der Frust ist praktisch vorprogrammiert.. Es wird einem klar, dass Biken halt nicht einfach Velofahren ist und dass man doch einiges neu erlernen muss, bevor man sich meisterlich Absätze und Treppen runterstürzt.

Aller Anfang schwer: Die ungewohnte Umgebung, die unterschiedlichen Untergründe, das Feeling auf dem Bike, die vielen Hindernisse, von denen man keine Ahnung hat, ob man sie fahren kann oder wie sich das anfühlt.. So unendlich viele Unsicherheits-Faktoren, dass man gar nicht anders kann, als sich überfordert zu fühlen.

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Dass sich hier nicht jeder Anfänger runterstürzt ist klar – Erst mit Kontrolle, Sicherheit und Erfahrung macht es Spass

Setzt einen solchen Anfänger auf ein Big Bike (Fully mit mind. 180mm Federweg) und zieht euch das Resultat rein: Der Untergrund ist ihm nahezu egal, die meisten kleineren Absätze und Steilhänge werden ohne einen zweiten Gedanken gefahren. Der Grund dafür sind die Reserven, welche ein solches Bike bietet. Starke Bremsen, viel Federweg, optimale Abfahrtsposition – sprich: Sicherheit für den Fahrer. Mit diesen Erleichterungen fällt es dem Anfänger nicht nur leichter, sich an gewisse Sachen heranzutasten, er fühlt sich dabei auch sicherer und bekommt durch die zusätzlichen Reserven auch ein besseres Gefühl. Das kennen wir ja: Die Angst ist geringer, die Anforderung immernoch hoch.. man spürt den Flow.

Diese Aspekte sind der Grund dafür, weshalb sich ein Anfänger ein Bike mit mehr Federweg (sprich mehr Reserven) kaufen sollte.

Gerade am Anfang traut man sich dadurch mehr zu, fährt höhere Geschwindigkeiten und bleibt lockerer auf dem Mountainbike. Man ist nicht so schnell überfordert, hat mehr Erfolgserlebnisse und schlicht und einfach mehr Spass beim Biken.

Gratwanderung - Zwischen Spass und Stress ist nur wenig Spielraum.
Gratwanderung – Zwischen Spass und Stress gibt’s nur wenig Spielraum.

Fortgeschrittene Biker brauchen Kontrolle

Wer kennt das nicht: Man fährt mit einem geilen Bike, hat schön viel Federweg, kennt sich inzwischen gut mit den unterschiedlichsten Untergründen und Geländeformen aus und hat ein gutes Gefühl für das eigene Können. Dennoch schafft man es auch mit der grössten Anstrengung nicht, sich ans Hinterrad des Kumpels zu hängen, welcher zwar ein paar Jahre länger auf dem Bike sitzt, aber eigentlich ein schlechteres Bike hat… Der Grund dafür ist nicht das Bike, sondern der Fahrer. Ein gekonnter Fahrer meistert eine Strecke, unabhängig auf welchem Velo er sitzt – ausschlaggebend dafür ist nämlich der Kopf! Was hindert einen fortgeschrittenen Biker über ein Gap zu springen, auch wenn er das Können und das Material dazu besitzt? Der Kopf.

Biken kann jeder mit der entsprechenden Konstitution. ‚GUT‘ biken will jedoch gelernt sein. Die Lernkurve beim Biken ist oft nur anfangs sehr steil, ab einem gewissen Punkt muss man sich die Fortschritte hart erkämpfen. Das ist leider nicht zu erreichen, in dem man einfach viel auf dem Mountainbike sitzt, sondern indem man sich mit seinen Stärken,  Schwächen und Ängsten auseinandersetzt.

Eine Möglichkeit, welche es Anfängern, als auch fortgeschrittenen Bikern ermöglicht, sich massiv zu verbessern ist die Methode: Back to the roots!

Man fährt schon einige steile und technische Passage, kann bereits den einen oder Absatz springen oder fahren und die Kurventechnik ist auch nicht mehr von schlechten Eltern.. Dennoch wollen sich weitere Fortschritte nur sehr langsam manifestieren. Oft ist der Grund dafür ein Fehlverhalten auf dem Bike: Aufgrund des vielen Federwegs und den massigen Reserven eignet man sich unschöne Dinge auf dem Big Bike an.

Absätze kann man einfach so fahren, auch wenn man vorne wegtaucht.. das Bike verzeiht das schon.
Die Linienwahl ist meistens unwichtig.. das Bike verzeiht das schon.
Die letzten drei Sprünge verpatzt.. nichts passiert, das Bike verzeiht es ja.

Genau diese Fehler und Unsicherheiten führen jedoch zur schlechten Kontrolle des Bikes. Die vorhandenen Reserven werden quasi missbraucht und durch das mangelnde Feedback von unten eignet man sich ein fehlerhaftes Verhalten an. Der beste Vergleich diesbezüglich ist: Man ist Passagier und kein Pilot. Genau dieser Aspekt entscheidet über den Spass- oder Stressfaktor.

Pilot oder Passagier? Ab einem gewissen Level ist das entscheidend für Spass und Sicherheit
Pilot oder Passagier? Ab einem gewissen Level ist das entscheidend für Spass und Sicherheit

Der beste Tipp, den man in einem solchen Fall befolgen sollte ist „Back to the Roots“: Ein Hardtail fahren!

Ein Hardtail bietet einem keine grossen Reserven, das Feedback vom Untergrund kommt unmittelbar, die Linienwahl entscheidet über den Fahrfluss und die aktive Fahrweise führt zu mehr Kontrolle. Kurz gesagt: Ein hinten ungefedertes Bike erhöht das eigene Können. Dies wird dann spätestens dann klar, wenn man wieder auf das grosse Bike wechselt. Man schöpft die vorhandenen Reserven nicht ganz aus und hat somit mehr Spielraum die auftretenden Hindernisse zu überwinden oder sich etwas spielerischer auf dem Trail zu bewegen. Man fährt nicht ständig am Limit und hat im Falle eines Fehlers immernoch die Unterstützung des Bikes, was nicht der Fall ist, wenn man den Hobel von Anfang an im Grenzbereich bewegt.

hardtail
Hardtail Pride – Auch wenn man schneller ist mit Fullys, nichts rockt wie ein Hardtail!

Der Werdegang eines Bikers

Im Gespräch mit diversen fortgeschrittenen Bikern hat sich in Diskussionen herausgestellt, dass ziemlich alle den selben Werdegang aufweisen. Entweder hat man bereits mit einem Hardtail angefangen oder kam spätestens nach 3-4 Jahren wieder auf die Vorzüge eines Hardtails zurück. So oder so, hat man sich die Basics ohne Federung angeeignet und seine Linienwahl, die aktive Fahrweise, das Speedgefühl und auch die Reaktionszeit massiv verbessert.

Nachfolgend eine Auflistung der Bikes, welche drei von uns über die letzten Jahre gefahren sind:

Dario

Bis 1997 Rennrad und City-Bike
1997 – 1999  Klein Comp (AM Hartail)
1999 – 2003  Scott Endorphine Limited Edition (FR Hardtail)
2003 – 2006  Univega RAM EN 970 (AM Fully)
2005 – 2006  Kona Stinky (FR Fully)
2006 – 2008  Nox Flux 6.5 Eigenbau (FR Fully)
2008 – 2010 Santa Cruz Bullit Eigenbau (FR Fully)
2010 – 2011  Norco Shore 1 Eigenbau (FR Fully)
2010 – heute Orange Blood Eigenbau (AM Fully)
2011 – heute Norco Truax Team Eigenbau (FR Fully)
2006 – heute Santa Cruz Chameleon Eigenbau (FR Hardtail)

hardtail proflex beast 1996 green elastomer paralellogram
Geschichtskunde: ProFlex Beast 1996 – Elastomer Federung und Paralellogramm-Gabel – Viel hat einem das Bike nicht abgenommen

Serki

1991 – 1996 Wheeler Comp Line (Ungefedert)
1996 – 1998 ProFlex Beast (AM Fully)
1998 – 2000 Mongoose NX 9.5 (EN Fully)
2000 – 2002 Rock Mountain Flow (FR Hardtail)
2002 – 2005 Santa Cruz Chameleon (M) Custom (FR Hardtail)
2004 – 2007 Rocky Mountain RM7 Custom (DH Fully)
2005 – heute NPJ Buddha Street/Dirtbike Custom (Street/Dirt Hardtail)
2005 – heute Santa Cruz Chameleon Custom (L) (FR Hardtail)
2007 – heute Specialized SX Trail Custom (FR Fully)
2010 – heute Rocky Mountain Slayer SXC30 (AM Fully)

Scott Endorphin Marzocchi Bomber
Hardtail Downhiller – Superleichter Scott Carbonrahmen mit unzerstörbaren Downhill Komponenten

Dave

1993 – 1995 Liyang LX550 (AM Hardtail)
1995 – 1996 Mongoose Pro SX (AM Hardtail)
1996 – 1997 Mongoose Team SX (AM Hardtail)
1997 – 1999 Scott World Cup Team Endorphin (FR Hardtail)
1999 – 2000 K2 ZED Rahmen mit Rest vom Endorphin (FR Hardtail)
2001 – 2004 Kona Stinky Primo (FR Fully)
2003 – 2003 Rocky Mountain Element T.O. (AM Fully)
2003 – 2007 Cove Stiffee (FR Hardtail)
2004 – 2007 Santa Cruz VP Free (FR Fully)
2005 – 2006 Santa Cruz Chameleon S Singlespeed (Dirt/Street Hardtail)
2007 – 2008 Specialized SX Trail (FR Fully)
2007 – heute Santa Cruz Chameleon (FR Hardtail)
2009 – heute Santa Cruz Nomad (FR Fully)
2011 – heute Specialized Stumpjumper FSR Evo Carbon (AM Fully)

Ich habe das etwas veranschaulicht, damit man besser sieht, was für ein Rad jeweils gefahren wurde:

hardtail fullsuspension grafik auflistung

Wie du diesen Auflistungen entnehmen kannst, waren alle drei Fahrer über mehrere Jahre auf dem Hardtail unterwegs. Wir sprechen hier auch nicht von einem reinen Zweitbike für kleine Touren oder Hometrails. Dave und ich waren von 2003-2005 ausschliesslich auf dem Hardtail unterwegs, auch in Bikeparks oder in Kanada. Diese Zeit hat unsere Fahrtechnik enorm verbessert und die Kontrolle und Sicherheit auf dem Bike massiv angekurbelt.

hardtail vs. fullsuspension
State of the Art – Leicht, verspielt und nicht zu viel Federweg. Ohne ausreichende Fahrtechnik kommt man auch damit auf keinen grünen Zweig…

Die Verbesserung der Fahrtechnik war dabei auch das primäre Ziel, denn ein befreundeter Biker, welcher vom CC-Sport und jahrelanger Erfahrung auf dem Crosscountry-Hardtail auf ein Downhill-Bike wechselte, einen so riesigen technischen Vorsprung auf uns hatte, dass wir auf unseren vollgefederten Bikes nicht mal ansatzweise auf dem selben Niveau fahren konnten. Der Tipp von ihm: Zuerst lernen wie man ein Hardtail fährt und der Rest kommt dann von alleine. Diesen Tipp haben wir befolgt und waren von den positiven Konsequenzen mehr als überrascht. Deshalb geben wir diesen Tipp nun an dich weiter. Probiere es aus und du wirst ebenfalls überrascht sein.

Hast du diese Erfahrung auch schon gemacht? Oder siehst du das komplett anders? Dann hinterlasse uns doch einen Kommentar. Wir sind gespannt auf deine Meinung.

 

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6 Gedanken zu “Entwicklung eines Bikers – Die Bedeutung des Hardtails”