MTB Geometrie ist keine Quantenphysik

In den letzten Jahren hat sich viel getan, was die Technologie bei Mountainbikes angeht. Nebst den Laufradgrössen hat sich vor allem bei der Geometrie viel verändert.

Das vitruvianische Bike
Das vitruvianische Bike (Full Resolution hier herunterladen)

Bevor wir zum Kern des Themas vorstossen, müssen die Grundlagen geklärt werden. Stichwortartig die wichtigsten Informationen zur Geometrie eines Mountainbikes, damit die Anfänger eine Grundlage haben und die älteren Semester auf dem neusten Stand sind.

MTB Geometrie – Die Eckdaten

Die meisten stellen es sich komplizierter vor, als es in Wirklichkeit ist. Zugegeben, es sind ein Haufen Fremdwörter, Abkürzungen und Zahlen. Wenn man aber weiss, worauf man achten muss und seine eigenen Bikes kennt, kann man davon profitieren – egal ob man ein neues Bike kaufen, sein altes aufrüsten oder bestehende Probleme ausfindig machen möchte.

mtb geometrie reach
Stack und Reach

Reach

Der horizontale Abstand vom Tretlager (Mitte) bis zur Oberkante des Vorbaus (Mitte Steuerrohr). Beschreibt die Position auf dem Bike besser als die reine Oberrohrlänge (top tube length) von Sattelrohrmitte bis Steuersatzmitte, da bei dieser der Sitzwinkel berücksichtigt werden muss.
Merkmale: Länger = laufruhig | Kürzer = agil

Abhängig von der Länge der Arme und des Oberkörpers, benötigen gewisse Biker ein längeres Oberrohr oder eben einen längeren Vorbau. Dieses Merkmal ist eines der ausschlaggebensten für die Agilität des Bikes und den Wohlfühlfaktor.

Wenn man Spacer unter den Vorbau klemmt, verringert sich der Reach um ungefähr 40% (10mm Spacer = 4mm weniger Reach)

Der Reach ist dafür verantwortlich, wie wohl man sich platzmässig auf dem Bike fühlt, fühlt man sich eingeengt, ist der Reach oft zu kurz. Muss man sich strecken, ist ziemlich sicher der Reach zu lang. Mit Spacern unter dem Vorbau lässt sich der Reach minimal verringern, ansonsten bleibt nur die Justierung durch die Vorbaulänge.

Stack

Der vertikale Abstand vom Tretlager bis zum Steuerrohr (Mitte Tretlager bis Mitte Steuerrohr Oberkante)
Merkmale: Höher = Entspannte Haltung. Das Vorderrad hebt sich früher bei steilen Anstiegen | Tiefer = Mehr Druck auf dem Vorderrad, agressive Haltung

Kettenstrebenlänge (Chainstay Length, CS)

Der horizontale Abstand vom Tretlager bis zur Hinterradnabe
Merkmale: Länger = laufruhig | Kürzer = agil

Ein weiters Hauptmerkmal für die Laufruhe oder Agilität eines Bikes. Zusammen mit dem Reach und dem Lenkwinkel hat sie Einfluss auf den Radstand, welcher bestimmt, ob ein Bike eher spielerisch oder speedorientiert ist.

Tretlagerhöhe
Tretlagerhöhe

Tretlagerhöhe (Bottom Bracket Height, BB Height, BB Dropdown)

Der vertikale Abstand vom Tretlager bis zum Boden. Da dieser Richtwert je nach Reifen und Laufradgrösse unterschiedlich ausfällt, wird meistens der Drop oder Rise angegeben, also der Höhenunterschied zwischen Tretlager und Radnabe.
Merkmale: Tiefer = besserer Schwerpunkt, laufruhig, bessere Kurvenlage | Höher = weniger Bodenkontakt, agileres Handling

mtb geometrie lenkwinkel
Lenkwinkel – Head tube angle

Lenkwinkel (Head Tube Angle, HA)

Der Winkel der Federgabel zur Horizontalen
Merkmale: Flacher = laufruhig | Steiler = agil, besser bergauf

Einer der wichtigsten Punkte für das Lenkverhalten eines Bikes. Hier muss man bei einem All-Mountain Bike spätestens entscheiden, was der Einsatzzweck sein soll. Ein flacher Winkel ist zum berghochfahren sicherlich nicht optimal, aber die Vorteile bei der Abfahrt sind nicht zu unterschätzen. Der Trend geht eindeutig zu flacheren Winkeln.

Während bei den Downhillern Lenkwinkel von 62-65° keine Ausnahme darstellen, kann ein Enduro-/Freeride-Bike mit zu flachem Winkel zum Kippen neigen und zu ungewöhnlichem Kurvenverhalten führen (im Zusammenhang mit dem längeren Radstand). Wenn Du den Lenkwinkel Deines Bikes einstellen kannst (mit Flip-Chips ist das oft möglich) dann unbedingt ausprobieren. Ein halbes Grad kann hier schon Wunder wirken.

mtb geometrie sitzwinkel
Sitzwinkel – seat tube angle

Sitzwinkel (Seat Tube Angle, SA)

Winkel des Sitzrohrs gegenüber dem Boden
Merkmale: Flacher = laufruhig | Steiler = agil

Einer der wichtigsten Einflussfaktoren fürs Hochfahren. Die Sitzposition bestimmt die Haltung und somit die Kraftübertragung auf die Pedale. Bergab hat dieser Wert keinen Einfluss.

Radstand (Wheelbase)

Länge des gesamten Bikes von Achse bis Achse
Merkmale: Länger = laufruhig | Kürzer = agil

Kurzer Geschichtsausflug – Was hat sich verändert?

Im Verlaufe der letzten Jahre hat sich viel getan in diesem Bereich. Die markantesten Veränderungen fanden beim Lenkwinkel, der Tretlagerhöhe und der Oberrohrlänge statt.

Während man früher noch auf kurze Oberrohre und längere Vorbauten setzte, geht der Trend immer mehr in die Gegenrichtung. Bikes mit einem Reach von 450mm (im L) sind Normalität, dafür sieht man zum Teil 0-mm Vorbauten wie bei Mondrakers Forward Geometry. Das Ziel ist es, ein möglichst laufruhiges Bike herzustellen, welches seine Agilität nicht verliert. Ein schier unmöglicher Spagat, den man mit kürzeren Kettenstreben versucht zu erreichen, damit das Bike nicht zu lange wird.

Auch beim Lenkwinkel hat sich enorm viel getan – wenn man bedenkt, dass vor wenigen Jahren ein Downhiller mit 62° Lenkwinkel undenkbar war, fährt man heute auch auf Allmountain Bikes mit bis zu 65°. Der flachere Winkel sorgt für mehr Laufruhe, bessere Federungsperformance und unterstützt einen aggressiven Fahrstil. Es wird weniger mit dem Lenker gelenkt, als viel mehr mit dem ganzen Bike, quasi aus der Hüfte.

Hingegen werden die Sitzwinkel steiler, wenn das Bike auch zum bergauf fahren dienen soll.

Bei all diesen Punkten gibt es Vor- und Nachteile, egal in welche Richtung man geht – so auch bei der Tretlagerhöhe. Theoretisch ist ein Bike optimal, welches am Boden klebt – in der Praxis ist das ungünstig, da die Federung und Kurbeln auch noch Platz benötigen. Hier wird zur Zeit die Tretlagerhöhe dermassen heruntergesetzt, dass sich mancher Biker beim Treten umgewöhnen muss. Die effektive Tretlagerhöhe wird neu mit „BB Dropdown“ (oder BB Rise) angegeben, was den Höhenunterschied von Radnabe und Tretlager beziffert.

slayer sxc geometrie
Mit ein wenig Übung lässt sich aus jeder Geometrietabelle erahnen, was für eine Art Bike es ist

Worauf sollte ich achten?

Hast Du beim Biken Schmerzen in den Händen, im Rücken, im Nacken oder an den Schultern? Dann muss das nicht zwingend an deinem Körper liegen, die Ursache könnte genauso gut in der Geometrie deines Bikes zu finden sein.

Du fühlst dich unwohl auf deinem Bike, vor allem bei Highspeed oder in technischen Passagen? Ist dein Bike zu quirlig oder zu wenig agil? Dann kannst du das meistens mit wenigen Handgriffen oder dem Wechsel von Komponenten optimieren. Vorausgesetzt, du weisst wo das Problem liegt und wie man es beheben kann.

Aus diesen Gründen ist es enorm wichtig, dass du dein Bike kennst. In Zahlen. Nur so kannst du Vergleiche anstellen, Probleme exakt analysieren oder mögliche Lösungen finden.

Beim Kauf von neuen Bikes ist man überfordert, wenn man sich nicht wenigstens an einigen Kennzahlen orientieren kann. Es gibt im Endeffekt wenig Auskunft darüber, wie gut ein Bike ist – aber man kann dessen Einsatzzweck leichter erkennen und herausfinden, ob es ins eigene Beuteschema passt. Sofern man weiss, was man will.

Worauf du achten solltest:

  • Wie lang ist mein Bike?
  • Was habe ich für einen Lenk-/Sitzwinkel?
  • Wie lang ist mein Oberrohr?
  • Wie lang ist meine Kettenstrebe?

Das ist das Minimum. Diese Daten sind nicht nur beim Kauf eines Bikes wichtig, du kannst dir mit der Zeit ein gutes Bild von deinen Vorlieben machen und lernst dich, deinen Fahrstil und dein Bike besser kennen. Wenn du die Gelegenheit bekommst, auf ein anderes Bike zu sitzen, dann achte darauf, was dir in Bezug auf die Geometrie auffällt und was sich besser oder schlechter anfühlt.

Was habe ich für Möglichkeiten?

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, um die Geometrie deines Bikes zu modifizieren.

  • Spacer unter den Vorbau um die Front zu heben (Bei zu viel Druck auf dem Vorderrad).
  • Spacer wegnehmen, wenn Du zu wenig Druck auf das Vorderrad bekommst.
  • Lenkerhöhe, -breite, -Kröpfung – Das Cockpit ist wohl der meistunterschätzte Bereich des Bikes!
  • Vorbaulänge: Du fühlst dich auf dem Bike beengt oder sitzt viel zu gestreckt? Dann schau mal andere Vorbauten an.
  • Angle Set – Ein Steuersatz, mit dem man den Lenkwinkel eines Bikes verändern kann
  • Flip-Chips – einige Bikes besitzen am Hinterbau Möglicheiten, um Sitz- und Lenkwinkel anzupassen. Fast immer hat das auch Auswirkungen auf die Tretlagerhöhe
  • Dämpferaufnahme – Mit einer anderen Anlenkung des Dämpfer, können die selben Effekte erzielt werden, wie mit einem Flipchip. Dies kann man natürlich nur bei Bikes verändern, die alternative Befestigungspunkte besitzen.
  • Verstellbare Ausfallenden – Viele moderne Bikes bieten die Möglichkeit, die Länge des Hinterbaus und somit die Gesamtlänge des Bikes anzupassen.

Haarspalterei?

Alles nur Haarspalterei? Sicherlich nicht. Die Hersteller bekriegen sich nicht umsonst mit den neusten Trends und kopieren alles, was ansatzweise besser funktioniert – das ist wohl auch der Grund, weshalb die Geometrie der Bikes im Allgemeinen näher zusammengerückt ist. Es ist nun mal nicht zu unterschätzen, was wenige Millimeter an einem Bike ausmachen können. Dies bestätigen die vielen Diskussionen unter uns und auch an unseren Bikekursen.

Trau dich, dein Bike zu verändern! Ein Spacer am Vorbau ist in wenigen Sekunden entfernt.

Fahr dein Bike nicht einfach so, wie du es gekauft hast – experimentiere etwas herum und achte dich darauf, ob es sich danach besser oder schlechter anfühlt. Ein gutes Bike ist okay – ein passendes Bike ist genial.

Viel Spass beim tüfteln und lass uns wissen, wie es ausgegangen ist.

Ich habe hier bewusst nicht alle Geometrie-Aspekte aufgeführt, um nicht mehr Verwirrung zu stiften als nötig.
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31 Gedanken zu “MTB Geometrie ist keine Quantenphysik”

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