Projekt 50

Riding PassionViele mögen sich fragen warum und weshalb man auf die Idee kommt sich an einem Tag 50 mal den gleichen Hügel hinunter zu jagen. Um es schoneinmal vorweg zu nehmen, ich habe es für mich gemacht und weil es mir eben Spass macht. Nach anfänglichen Nichtgefallen, wuchs meine Vorliebe für den Gurten proportional mit der grösse der bösen, fiesen Bremslöcher…

Angefangen hat der Donwhillmarathon Gedanke bei mir während der Lehrzeit im Veloladen.Mein Lehrmeister, bekenndender CC und Vielfahrer stichelte mich immer an „Komm jetzt Seppel das huere Bergabradfahren ist doch nich anstrengend, fahr doch ein paar mal öfter Touren mit unserer Bikegruppe“. Irgendwann machte er mit seinem Biketreff dann eine Tagestour in Biel/Magglingen, auf den Chasseral und zurück. Ich fuhr an diesem Tag auch mit nach Biel, aber natürlich mit meinem groben Hobel. Ich schloss mit der ganzen Gruppe die Wette ab das ich an diesem Tag mehr Downhillkilometer mache, als sie auf ihren Tourenfullys. Ich gewann knapp mit 32 Abfahrten und gut 70 Kilometern. Die Gümmeler waren davon relativ beeindruckt, vorallem nachdem sie sich die Trails mal ein wenig anschauten, in dieser Zeit entstand bei mir wohl das Marathonfeeling.

Die Idee am Gurten 50 Abfahrten zu machen erwachte letztes Jahr, leider kam ich zwecks Lehrabschlussprüfung und Lebensabschnittsgefährtin nicht dazu das ganze in die Tat umzusetzen. Nach erfolgreichem Abschluss der Lehre und weniger erfolgreichem Ende der Beziehung im letzten Winter stand für mich fest: diesen Sommer ziehst du das durch! Ich fragte mal beim Trailnet an, bei dem ich mittlerweile für meinen Baueinsatz am Gurten und in Biel relativ bekannt bin. Sie hatten grad Freude an der Idee, ist ja letztendlich auch gute Werbung für ihren Trail bzw für den Verein. Vereinspräsident Noodelz und Organisationstalent Felä klärten das ganze mit den Bahnbetreibern ab, diese waren auch begeistert von der Idee un d sicherten Ihre Unterstützung zu. Der Termin wurde auf meinen Geburstag und gleichzeitig den zweitlängsten Tag des Jahres festgelegt, den 22. Juni.

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Für mich begann derweil die Vorbereitung, was soviel heisst wie möglichst viel und möglichst schnell fahren um die Strecke blind auswendig zu lernen und ausreichend fit zu werden. Das heisst in etwa 400 Abfahrten am Gurten und auch auf andern Trails, eben einfach möglichst viel Riden. Natürlich immer mit dem Gedanken im Hinterkopf sich nicht verletzen zu dürfen, gross verschieben konnte ich den Termin ja nicht, weil die Tage wieder kürzer würden und ich möglichst nicht im Dunkeln fahren wollte. Am 31. Mai passierte es dann aber doch, ich sprang am Step Down Pius zu weit, landete so halb in der darauffolgenden Wurzelpassage, verlor das rechte Pedal , Steckte mit dem Fuss in den Wurzeln ein und kam zu Fall. Ich rollte das letzte Stück noch hinab, zog unten am Bähnli meinen Schuh aus und sah meinem Fuss beim anschwellen zu. Felä war glücklicherweise auch da und sorgte so für den Krankentransport zum Spital, es war gleichzeitig das erste mal das ich nicht alleine vom Trail wegkam. Diagnose im Spital war dann zum Dirtten mal ein Bänderanriss an den äusseren Bändern am Sprunggelenk, dazu gabs zwei Wochen Gips und drei Wochen Krücken … na toll! Wer mich aber ein bisschen kennt, weiss das es einiges brauch um mich vom Biken abzuhalten und so liess ich mich davon nicht unterkriegen. Drei Wochen später am eigentlich geplanten Tag (und gleichzeitig beginn der Physiotherapie) stieg ich das erste mal wieder aufs Bike, auf der einen Seite total heiss aufs Fahren, auf der anderen mit ziemlich zurückgebildeten Muskeln am rechten Bein. Egal, Fuss ordentlich bandagieren und ab dafür. Die 10 Abfahrten an diesem Tag taten mir psychisch wie physisch wirklich gut, mein Fuss tat danach erstaunlicherweise weniger weh als vorher. Am Nächsten Tag ging ich wieder fahren, diesmal 23 Abfahrten, der Fuss machte ohne Probleme mit. Nur der Rest war nicht mehr so fit wie vor dem Crash. Ich verschob den Termin nur um eine Woche auf den 29. Juni, ich wollte es jetzt einfach durchziehen. Am Samstag ging ich nochmal gemütlich rollen und nutzte den Sonntag als Ruhetag. Am Abend fuhr ich mit meiner Mutter nach Bern, sie wollte natürlich dabei sein und übernachtete mit ihr oben auf dem Gurten. Nach den letzten Vorbereitungen, ging ich ehrlich gesagt ziemlich nervös ins Bett, nach dem Sturz und dem Trainingverlust war ich mir nicht sicher ob ich es wirklich schaffen könnte.

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Am morgen hiess es dann um 6 aufstehen, ich wollte die erste Abfahrt schon vor dem ersten Bähnli machen, damit ich sozusagen eine Abfahrt im Plus bin und die ersten Auffahrt schon zu meiner zweiten Abfahrt führt. Und eins sag ich euch, ich war nie so heiss aufs Fahren wie an diesem Morgen, die ersten Sonnenstrahlen schienen mir ins Gesicht, den Trail hatte ich ganz für mich allein und in diesem Moment wusste ich „Du kannst das, du schaffst das!“ Feuer und Flamme fuhr ich also los und meiner Mutter machte die ersten Fotos. Die ersten Abfahrten nahm ich natürlich entsprechend entspannt, ich hatte ja noch genug vor mir in denen ich mich austoben könnte. Die Temperatur war in der Früh noch angenehm im Verlauf des Tages sollte es aber noch brechend heiss werden. So gegen 10 trudelte der erste Fotograf ein, ein Kollege Namens Bernd der sich kurz zuvor selber zerschossen hatte und so die Zeit fand ein paar Fotos zu machen, besten Dank und Ride on! Glücklicherweise kamen in den Stunden bis um 11 wo das Bähnli eigentlich nur im Halbstundentakt fährt ein paar Schulklassen und Ausflüglergruppen, wodurch die Bahn ein paar Extrafahrten machen. Ich war meinem Zeitplan also vor der schwierigsten Zeit zwischen 11 und 14 Uhr schon 5 oder 6 Abfahrten vorraus. Das gab mir ein gutes Gefühl denn die drei Stunden im 10 Minuten Takt sind grad bei praller Mittagssonne kein Zuckerschlecken. Gegen 11 trudelten weitere Fahrer, Helfer und Fotografen ein. Für mein Rekordversuch durfte ich zum Glück immer als erster aus der Bahn und dann direkt auf den Trail, auch hierfür besten Dank an alle Fahrer! Trotz einiges Zwischenstops in der Mittelstation schaffte ich es, ich erwischte jede verdammte Bergfahrt während dieser harten Phase. Der Timo versorgte mich dabei mit Riegeln und Getränken (ich trank im Fall etwa 8 Liter … und war genau einmal Pinkeln…) und so konnte ich mich voll und ganz aufs Fahren konzentrieren. Nachdem der Schnelltakt vorbei war, war es mehr oder weniger sicher das ich es durchziehen würde.

Die ersten 33 Fahrten waren damit erledigt, und nun fuhr die Bahn nur noch im zwanzig Minuten Takt bei welchem man keinen Stress hat aufs nächste Bähnli zu kommen. Ich zog also meinen Panzer und mein T-Shirt aus um ein paar Fahrten durchzulüften und abzukühlen. Und natürlich passierte was passieren musste, unfähig einen Fahrspeed zu drosseln und vom Flow beflügelt, segelte ich ich am kleinen Bruder vom „Blöden Siech“ viel zu weit. Selbst erschrocken über den Speed kam ich schräg und landete mit Pedalen in 12 Uhr-Stellung etwa drei Meter nach der Landung und ging ziemlich spektakulär zu Boden. Nach kurzem betroffenem Schweigen der Zuschauer kamen die ersten gerannt und erkundigten sich nach meinem Zustand: „Mir geht’s tip top, ich hoffe nur dem Bike ist nichts passiert!“ nach kurzem Check realisierte ich meinen kaputten (an diesem Tag zum ersten mal getragenen) Kali Helm, mein krummen Lenker und das total verbogene Schaltauge nahm ich in diesem Moment nicht wahr. Nach diversen, bei mir nutzlosen Kommentaren wie „Jetz schnauf erst mal durch und setz eine Abfahrt aus“ , schaffte ich es mein Publikum davon zu überzeugen, das ich weiterfahren kann und dies auch tun werde. Also schnell Lenker halbwegs in Position gebracht, Bremshebel in die richtige Position geschlagen und weiter! Unten angekommen, bot mir das Bahnpersonal an, die mittlerweile ziemlich fanatisch mitfieberten, meine Wunden schnell im Waschraum zu reinigen und zu desinfizieren. Was ich auch tat und mit frisch geputzter Schulter ging es dann weiter, ohne eine Bergfahrt verpasst zu haben. Lustigerweise fühlte ich mich nach dem Sturz irgendwie wacher, beschloss jedoch nun den Speed definitiv raus zu nehmen und die letzten 15 Abfahrten entspannt zu absolvieren. Derweil wurden es immer mehr Rider die mich motivierten und mir ihre Begeisterung zu Erkennen gaben, so nen Freak trifft man wohl auch nicht alle Tage. Ich war meinem Zeitplan immernoch weit vorraus und auch wenn mir langsam die Fingerknöchel ziemlich weh taten, schien das Siegerbier und die Poserfotos in greifbarer Nähe.

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Zur 50. Abfahrt ging es dann um 19:50, auf Verlangen vom Noodelz und Felä musste ich diese aber komplett runterfahren für einen offiziellen Rekord, dies tat ich natürlich auch, auf eine mehr oder weniger kam es nun auch nicht mehr drauf an. Und nach der 50 ½ Abfahrt war es dann soweit, es warteten Bier, Wurst, Lammfleisch und so einige Fahrer und Helfer die mir Gratulieren wollten. Und natürlich stand da noch die Sektdusche für den Timo auf dem Programm, der extra etwas Schaumwein mitgebracht hatte und zu den wichtigsten Helfern gehörte. Wir genehmigten uns also noch das eine oder andere Feierabendbier, diskutierten wild über Grüne Bündnisse und chillten bis um 22 Uhr an der Brätlistelle. Dann kam das böse Erwachen für mich, nach fast 2 Stunden rumhocken musste ich im Dunkeln, leicht beschwippst, ziemlich fertig, mit schwerem Rucksack auf der schmerzenden Schulter, fast ohne Gefühl in den Händen noch eine halbe Abfahrt machen … ich glaube ich habe mich auf einem Bike noch nie so unwohl gefühlt :D
Nun zum Fazit, ich bin stolz darauf was ich geschafft hab, ich habe unter allen Umständen teilweise selber nicht daran geglaubt! Wer nun sagt es sei langweilig 50 mal den gleichen Trail zu fahren, dem muss ich sagen: Für dich mag das vielleicht so sein, ich bin aber was das angeht ziemlicher Perfektionist, wenn ich einen Trail fahre dann will ich ihn zu 150% auskosten und beherrschen. Langweilig wird das für mich nicht so schnell, es gibt immer noch dieses gewisse Mü was man noch an Speed rausholen, oder das kleine bisschen Style was man noch in einen Sprung reinpacken kann. Und ich denke eines habe ich damit sicher bewiesen, ich bin ein zäher Siech und das habe ich für mich ganz alleine getan, nachdem die letzten paar Monate für mich persönlich teilweise eher anstrengend waren. Am Biken kann ich mich immer wieder hochziehen und genau das habe ich damit geschafft! Und den Rest dieser Bikesaison geniesse ich ohne Frau und mit meiner eigenen Firma die sich dem Downhillbuissness verschrieben hat. Das ist nicht nur mein Hobby, es ist mein Leben … und es ist verdammt geil!

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Ein fettes Danke an meine Mutter, den Noodelz, den Felä, natürlich Timo, dem Bernd und Miro fürs Fotografieren, dem Dave fürs einfach anwesend sein (sieh zu das du wieder fit wirst!) und allen anwesenden Ridern für ihre Rücksicht und Motivation. Ohne euch hätte ich das alles nie geschafft – Big Thanks!

PS.: Ich bin extrem gespannt ob jemand versucht mir meinen Rekord streitig zu machen, bis jetzt hat noch niemand ernsthaft eine Herrausforderrung kommuniziert. Wie mir zu Ohren kam, war der Ädu Kiener aber relativ angepisst und meinte „Das kann ja jeder…“: Go Ädu, tu es!

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